„Es blies ein Jäger wohl in sein Horn …“
1.Teil
von Wolf-Dieter Möhle und Leo Buchholz
Den meisten von uns sind diese Worte der Überschrift aus einer alten Volksweise noch sehr vertraut. Und noch heute sind die Worte wie „Wald, Hörnerklang, Hunde und Jagd“ für Menschen in den deutschen Landen gefühlsmäßig miteinander verbunden. Dies gilt insbesondere für die Bewohner Niedersachsens und damit für die „Heidjer“, die sich ihr ursprüngliches Verbundensein mit der Natur zu erhalten gewußt haben. Wer würde nicht sofort an den Dichter Hermann Löns dabei denken, der auch in Gifhorns Heide- und Wacholderlandschaft seine „Fährte“ zog , in Winkel des Öfteren eine Rastpause einlegte, über das Erlebte in Wald und Flur nachdachte und dann seine Empfindungen für seine Erzählungen verarbeitete.
Die historische Entwicklung des Hornblasens
Erste Hinweise auf Signalinstrumente als Vorläufer unserer heutigen Jagdhörner finden sich in der Literatur als Beweis dafür, daß sie als unentbehrliches Hilfsmittel jagdlichen Brauchs stets die praktische Jagdausübung begleiten. Schon in grauer Vorzeit wurden an der Spitze durchbohrte oder abgesägte Wisenthörner bzw. Mammutzähne dazu verwandt, Anordnungen der Stammeshäuptlinge weiter zu geben, Jäger zu sammeln, oder erfolgreiche Beutejagd zu melden. Sogar aus dem Grabe des Pharaonen Tut-Ench-Amuns (1346-1337 v. Chr.) sind noch trompetenähnliche Blasinstrumente erhalten und im Museum Kairo zu besichtigen. Auch der griechische Geschichtsschreiber Arian (95-180 n. Chr.) berichtet über Kelten an der Donau, daß sie mit hochläufigen Hunden den Meister Lampe hetzten und mit Hornsignalen den Jagdablauf begleiteten. Ebenso wissen wir manches von seinen römischen „Berufskollegen“ Tacitus (55-120 n. Chr.) über jagdliche Bräuche in Germania, die manchem aus der Schulzeit noch in hoffentlich „guter Erinnerung“ sind. Aus dem Skandinavischen Raume sind bronzezeitliche Luren von einer Wandstärke von nur 3/4 mm erhalten und als Hinweis auf den hohen gießtechnischen Wissensstand zu nennen.
Nach der Völkerwanderung gelangten weitere Vorläufer unserer heutigen Jagdhörner von Byzanz nach Europa, besonders nach Frankreich. Eine sehr anschauliche Beschreibung eines Horns aus Elfenbein, des sog. Olifant (franz. Elefant), und seine Bedeutung wird uns im altfranzösischen Rolandslied vermittelt! Danach soll Roland den weit entfernten Kaiser Karl d.Gr. gegen die Übermacht der Basken zu Hilfe gerufen und seinen Gegner, der das Horn ihm entreißen wollte, damit niedergeschlagen haben. Das Horn stand im Wert und Ansehen dem Schwerte gleich; es wurde nie zur fremden Benutzung gegeben, war also zugleich Standessymbol.
Aus der Zeit des Hoch- und Spätmittelalters hat uns die Manesse’sche Liederhandschrift viele Hinweise auf den Gebrauch der Hörner überliefert. Mitte des 17. Jahrhunderts setzte in Frankreich das Parforcehorn, auch großes Jagdhorn, French Horn, Trompete oder Cor des Chasse, Corno da Caccia genannt, als Instrument durch und wurde bald an den großen und kleinen Fürstenhöfen in Deutschland übernommen, die sich bemühten, eine möglichst leistungsfähige „Jagdpfeiferbande“ zu unterhalten. Dieses Horn erlangte großen Einfluß auf die jagdliche Kunstmusik bei der Darstellung von Jagdmotiven, d.h. Themen aus Feld, Wald und Flur, besonders bei der Darstellung des gallopierenden Pferdes bei der Parforcej, wobei der charakteristische 6/8 – Takt vorherrscht. So sind die Parforcehörner im Barockzeitalter auch eingesetzt durch Johann Sebastian Bach (1685-1750) in der „Jagdkantate“: „Was mir behagt, ist nur die muntere Jagd“, die zu Ehren des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels (1716) komponiert wurde; im „Brandenburgischen Konzert“ Nr.1, in der „Horn-Messe h-moll“ und in dem „Weihnachtsoratorium“ sowie schließlich in der Klassik bei Joseph Haydn (1732-1809) in „Die vier Jahreszeiten“ als sehr eindrucksvolle Version einer Rebhuhnjagd und mit dem Höhepunkt des „Großen Halali“; bei Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) u.a. in den vier „Hornkonzerten“, und Franz Schubert (1797-1828) läßt seine schönste und letzte Sinfonie mit einem Hornsolo beginnen. Und wer würde nicht sofort Rossinis „Le Rendevouz de Chasse“ und die Oper „Der Freischütz“ des Carl Maria von Weber mit dem Hörnerklang in Verbindung bringen?
Hornformen der Gegenwart
Das Parforcehorn (franz. „durch Stärke“) verlor mit dem Rückgang der Hochwildjagd zu Pferde in Deutschland im vorigen (19.) Jahrhundert stark an Bedeutung, im Gegensatz zu Frankreich. Das Posthorn dagegen erlangte durch den „Schwager auf dem Kutschbock“ seine Blütezeit; es erhielt durch den Erlaß des Generalpostmeisters von Stephan seine historische Rundform, wie es auch seit 1950 Wahrzeichen der Deutschen Bundespost geworden ist.
Wie die Ausübungsmöglichkeiten der Jagd, so haben sich im Laufe der Zeit die Formen der Jagdhörner, ihr Material und die Noten geändert. Aus dem einfachen geschwungenen Hifthorn entstanden durch Drehungen über einem Dorn runde oder gestreckte, große und kleine Formen. Als ein Entwicklungsglied in dieser Kette der Hornformen – auf der Suche nach immer schöneren, besseren bzw. zweckmäßigeren Instrumenten für die jagdliche Ausübung oder Instrumentierung – ist auch der U-förmig gebogene „Sauerländer Halbmond“ zu nennen, der im 18. Jahrhundert in dem meisten Armeen eingeführt wurde und heute fast nur noch bei den üblichen militärischen Zeremonien wie Wecken, Flaggenparade, Zapfenstreich u.ä. eingesetzt wird. Im Ton steht er dem heute bei uns vorherrschenden und allseits geschätzten „Fürst -Pless-Horn“ gleich; dies hat seinen Namen nach dem Oberstjägermeister Wilhelm I, Fürst von Pleß, der sich um die Verbreitung dieses Jagdhorns sehr verdient gemacht hat.
Seit einigen Jahren hat der Deutsche Jagdschutzverband, der DJV in Bonn, zugestimmt, daß bei jagdlichen Bläserwettbewerben nicht mehr die Fürst-Pleß- und Parforce hörner getrennt, sondern gemeinsam sich am Wettstreit beteiligen. So ist heute immer stärker der Trend bei der Auswahl der Instrumente und Stücke zu beobachten, daß die großen Hörner mit ihrer Klangfülle zunehmend in den Vordergrund drängen. So pflegen die meisten Gruppen die Jagdfanfaren und -märsche sowie jagdliche Volkslieder im Zusammenspiel von Parforce-, Ventil- und Fürst-Pleß-Horn vorzutragen. Dies zeigt sich bei den Festveranstaltungen, Wettbewerben und jagdlichen Vergleichsblasen und läßt auch jagdlich Außenstehende besseren Zugang zu dieser Art musikalischer Darbietungen finden. Vom rein musikalischen Standpunkt aus ist solch ein Klangbild sicherlich sehr reizvoll, beweist Musikalität und wird damit noch lange nicht zum brauchtumswidrigen „Blasorchester“. Diese Entwicklung dürfte nur dort ihre Begrenzung finden, wo nicht jagdlich verwendete Blasinstrumente, wie Tuba, Posaune u.ä. den Weg in die konzertante Musikgestaltung weisen bzw. die Bläser selbst keine eigentliche jagdlichen Berührungspunkte mehr haben. Daneben finden sich die Bläser bei jagdlichen Veranstaltungen, wie Treib- und Drückjagden, Trophäenschauen, St.Hubertusfesten, bei besonderen Anlässen der Kommune, „Jubel“- Geburtstagen eines alten Nimrods und beim Blasen des letzten „Halali“ für einen Waidgenossen auf dem Wege in die „ewigen Jagdgründe“.
Zum Jagdhornblasen
Jagdhornblasen bedeutet jagdliches Musizieren. Welche Hörner könnten heute dazu benutzt werden? – Einmal das Taschenjagdhorn, wegen seines etwas harten Klanges und seiner geringen Größe auch herablassend als „Mausequäke“ bezeichnet. Es ist besonders für Treibjagden für dir Jägermanteltasche bestimmt. – Dann das Fürst-Pleß-Horn; es begründet die Renaissance des Jagdhornblasens und bildet auch bei Wettbewerben die Grundlage allen musikalischen Wettstreits. Beide verfügen in B über die fünf Naturtöne: c, g, c, e, g und noch über das zwei gestrichene a, z.B. für das Signal „Das hohe Wecken“. Es wird am Umhängeriemen oder im Rucksack getragen.
Das Parforcehorn wird – wie die beiden anderen Hörner – in B-Dur geblasen, um ein Zusammenspiel zu ermöglichen. Sie liegen gegenüber den Fürst-Pleß-Hörnern in der selben Naturtonreihe, jedoch um eine Oktave tiefer. Für das Blasen in besonderen Wettbewerben und auch bei Hubertusmessen ist eine Umschaltung per Ventil in „Es-Dur“ möglich. Daneben sind noch zwei weitere Jagdhornarten zu beachten: „Der Sauerländer Halbmond“ ist in einigen Gegenden Niederdeutschlands und Westfalens als später Nachfahre des ähnlich geformten Hifthorns anzutreffen, welches bläserisch mit dem Fürst-Pleß-Horn verglichen werden kann; schließlich das Ventil- oder B-Jagdhorn, das der Größe des Fürst-Pleß-Hornes entspricht, mit den Variationsmöglichkeiten eines Parforcehorns. Es bläst sich mit drei Ventilen, nicht leichter, nur vielfältiger.
Der innere Wert der jagdlichen Musik zeigt sich heute durch eine wachsende Beliebtheit auch in den Bevölkerungskreisen, die der Jagdausübung zurückhaltend gegenüberstehen. So wurde der „Hörnerklang“ auch durch bewußte Brauchtumspflege, wie durch Übernahme bewährter Formen und Inhalte, wobei neue Formen und zukunftsweisende Techniken eingeführt werden, immer weiter allgemeines Kulturgut. Und wenn heutzutage viele Tausende deutsche Jäger auf Jagden, jagdlichen Veranstaltungen oder auch in der Öffentlichkeit ihr Horn erklingen lassen, so kann man über den Ausgangspunkt der Freude am Blasen mit J.Karstädt sagen: „Die Jagd ist zu allen Zeiten mit fröhlichem Hörnerklang verbunden gewesen. Er ruft die Jäger zusammen und begrüßt die Jagdgesellschaft mit klingender Fanfare. Die Signale begleiten die einzelnen Phasen der Jagd. Die Hörner vereinigen sich zum Requiem des erbeuteten Wildes, und ihre munteren Weisen unterhalten die Jäger beim Schüsseltreiben“. Und wenn schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts festgestellt wurde, daß die Waldhörner „by jetziger Zeit sehr en vogue kommen sind“, so kann heute gesagt werden, daß dieser Trend zur Bereicherung unserer musikalischen Vielfalt beiträgt. Ein abgewandeltes Sprichwort könnte lauten: „Wo man bläst, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen kennen keine Bläser!“.
Das Jagdhorn bläst man, weil es jagdlich erforderlich ist und auch Freude macht!
2.Teil
von Wolf-Dieter Möhle
Aber das Jagdhornblasen ist auch Öffentlichkeitsarbeit
Mit dem Auftreten der Jagdhornbläser wird in der Öffentlichkeit Interesse geweckt, Aufgaben und Ziele der Jagd kennen zu lernen, um so ein besseres gegenseitiges Verständnis und damit ein Miteinander zu fördern. So erfüllen sie mit ihrem Einsatz wichtige Aufgaben: Zunächst nämlich „Werbung“ – aber nicht für sich selbst – sondern für das deutsche Waidwerk. Denn „die Klänge der Jagdhörner öffnen die Herzen der Zuhörer und auch der Besucher an den jagdlichen Informationsständen.
Das ist besonders in einer Zeit bedeutsam, da die Menschen in unserem Lande an sich und der Umwelt bemerken, wie sich bekannte und liebgewordene Werte wandeln, an Bedeutung verlieren oder in neuer Gestalt wiedererstehen. Gerade die im Mai 1986 in Nürnberg eröffnete „Internationale Jagd- und Fischereiausstellung: Wildtier und Umwelt“ deutet auch auf einen Wandel im jägerischen Selbstverständnis an. Das komplizierte Rollenspiel zwischen Jäger und Wild in einer vielfach bedrohten Umwelt lässt die Ausstellung von kapitalen Trophäen an Bedeutung weit zurücktreten. – Mit kritischem Abstand ist die Formulierung eines Verwaltungsgerichtsurteiles zu werten, das wohl mehr aus ideologischem Gesichtspunkt ausführt: „Jagd ist eine Art Sportausübung und Freizeitbeschäftigung – vergleichbar mit Segeln – und ist ein traditionelles Vergnügen gehobener Stände….“ Der Bundesminister für Landwirtschaft und Forsten, Kiechle, drückt die heutigen Anforderungen an den heutigen Jäger so aus: „Wer Jagd in Deutschland mit Schießen und Sammeln von Trophäen gleichsetzt, zeichnet eine Karikatur.“ Er fährt fort: „Jagd ist heute die verantwortungsvolle Nutzung eines nachwachsenden Naturgutes.“ Auch der Bundespräsident zielt mit seinem Grußwort in die gleiche Richtung: „Jagd und Hege dienen dazu, den Reichtum der Natur zugleich zu nutzen und zu bewahren!“
Die Aktivitäten der Bläser erschöpfen sich nun keinesfalls in der verbandspolitischen Öffentlichkeitsarbeit, sondern sie werden auch recht häufig zu jagdlichen Ausstellungen, Heimattagen, Hubertusfeiern und -messen, Ehrungen von verdienten Mitgliedern, Beerdigungen von Angehörigen des Hegeringes, besonderen Anlässen der Stadt oder des Kreises – wie Europatagen – herangezogen. Hierbei achten die Bläsercorpsleiter auf die Gefahr eines „Ausuferns“ solcher Auftritte und das dem Anlass ihres Blasens ein innerer Zusammenhang als „roter Faden“ zum deutschen Waidwerk innewohnt. Deshalb sollten auch Jagdhornbläser zumindest in der Mehrzahl selbst Jäger sein, die ihre Motivation zum Blasen aus dem eigentlichen Ursprung des Blasens, dem jagdlichen Geschehen nehmen.
Wie wird man nun Jagdhornbläser?
Für alle jene ist das ganz einfach, die Freude an der Musik – besonders des Hornblasens – empfinden und auch etwas musikalisches Empfinden verspüren. Ansprechpartner sind alle ihnen bekannten Jäger, denn von ihnen werden sie den Weg zur nächsten Bläsergruppe im Hegering oder im Kreis erfahren. das Übungsblasen ist meist acht- bzw. vierzehntägig. Fahrgemeinschaften sorgen dafür, daß junge und alte Bläser auch ohne eigenes Fahrzeug kommen können. In überwiegend landwirtschaftlich orientierten Hegeringen wird man selbstverständlich die notwendigen bäuerlichen Arbeiten im Übungsverlauf berücksichtigen. Ein Anfänger wird sich natürlich auch nicht gleich entmutigen lassen, wenn seine musikalischen Erwartungen noch weit vom gegenwärtigen Können liegen.
Die persönliche Motivation, die Freude am eigenen Blasen, und auch darüber, anderen Freude zu bereiten, werden im Vordergrund stehen und die anfänglichen Schwierigkeiten zu überwinden helfen. Eine sehr Anerkennenswerte Alternative haben einige Jagdverbände, Hegeringe und Hegewildringe ergriffen, indem Sie Jagdeinladungen für Treib- und Drückjagden oder Einzelabschüsse als Annerkennung aussprechen oder auch regelrechte jährliche Bläserjagden veranstalten. Ein solches „Dankeschön“ könnte wohl für einen passionierten Jagdhornbläser in kaum geeigneterer Weise erfolgen.
„Bläsergruppe Gifhorn I“ mit Gründungsfahne,
Hutabzeichen und Hornfesselspangen für er-
folgreiche Teilnahme am Bläserwettbewerb.
Der Wiederbeginn des Jagdhornblasens nach 1945 auf Bundesebene und in Gifhorn
Nach 1945 kam erst langsam der Jagdbetrieb in den späteren Bundesländern wieder in Gang, da die Jagdausübung noch in den Händen der Alliierten lag und die deutschen Jäger noch weitgehend waffenlos waren. Erst nach Gründung von einigen jagdlichen Organisationen bildeten sich bald Bläsergruppen, die mit viel Idealismus materielle Schwächen auszugleichen wußten. Nun, wo viel interessierte Bläser sich in zahlreichen Jägervereinigungen trafen, konnte ein erster Bläserwettbewerb nicht ausbleiben. So organisierte der hessische Landesjagdverband diesen Wettstreit 1953 in Frankfurt. Aufgrund des großen Erfolges wurde daraus später ein regelmäßiges Treffen der Jagdhornbläser auf Landesebene verwirklicht. Als Anreiz für gutes und stilvolles Blasen, besonders für den Bläsernachwuchs, wurde als Wanderpreis ein Pokal mit einem Bronzehirsch, als 2. und 3. Preis je ein Horn gestiftet. Außerdem wurde erstmals 1958 für jeden Teilnehmer Bläserhutabzeichen und Hornfesselspange in Gold, Silber und Bronze zur Erinnerung vergeben (die Hornfessel ist ein Umhängeriemen für das Tragen des Horns und galt früher als Zeichen der „hirschgerechten“ Jägerei, somit der Hochwildjagd auf Hirsch, Sau und Gams. Dagegen durfte sie ein Feder-Schütze nicht benutzen).
Gute Ideen haben häufig den Erfolg, daß sie andere Menschen erreichen und „anstecken“. So schrieb der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) als Dachorganisation aller Landesverbände den ersten Bundeswettbewerb im Jagdhornblasen für 1961 mit einem Zweijahresrhytmus aus.
Es ist für die Menschen in unserem Landkreis Gifhorn nun bestimmt interessant, wie sich hier aus absoluter „Stille“ der Nachkriegszeit die ersten hoffnungsvollen Ansätze zum Jagdhornblasen zeigten. Der Wille war schon vorhanden, aber …… woher die Hörner nehmen bei der erst langsam sich entwickelnden Produktion und woher sollten auch noch die Noten kommen? Denn die Kenntnisse der Signale, Märsche und Fanfaren waren durch die langen Kriegsjahre verblaßt. Doch Revierförster Kurt Wallek wußte um die Bedeutung des Blasens im jagdlichen Geschehen als Forstmann, der aus seiner schlesischen Heimat in unseren Gifhorner Raum gekommen war. Kann man sich heute noch vorstellen, daß ein einziger Bläser von Jagd- zu Jagdeinladung eilen mußte, um das Jagdhorn erklingen zu lassen? Daß auch das Verständnis für den jagdlichen Gebrauch des Hornblasens erst wieder wachsen mußte, erwies sich im Gebiet der Barwedeler Heide auch mit einer humoristischen Note. Nach Abschluß der Waldjagd sollte erstmalig die Strecke „verblasen“ werden, doch war man sich seitens der Jagdleitung nicht einig. Schließlich ergriffen zwei Treiber, die außer einem Treiberknüppel noch ein Flügelhorn ihr eigen nannten, die Initiative und bliesen zum Entsetzen des vorgesehenen Hornisten die schlichte Weise: „Guter Mond, du gehst so stille…“, was seine sofortige Abfahrt per Motorrad nach Hause auslöste. Dagegen konnte er bald bei der Beerdigung des Revierförsters Sudhoff in Müden neue Freunde des Blasens gewinnen, als in der Kiefernkulisse des Friedhofes aus einiger Entfernung der helle und klare Ton des Horns „Jagd vorbei“ und „Halali“ vermeldete.
Inzwischen waren auch die Ausbildungskurse für Jäger wieder angelaufen; im „Deutschen Haus“ in Gifhorns Torstraße sammelten sich traditionell die Jungjäger und ihre Ausbilder. Unter sachkundiger Anleitung von Hermannn Calberlah (Waffen), Gustav Bosse (Jagdrecht) und Baars (Hunde) hörten die Prüflinge nebenbei eine Menge Wissenswertes über das jagdliche Brauchtum; besonders Kurt Wallek ( Jagdtierkunde) schärfte ihnen ein: „Wir Jäger sind da draußen allein, ohne Kontrolle; da müssen wir immer sauber und ordentlich im Denken und Handeln sein…“, ein Wort, das wohl zeitlose Gültigkeit haben dürfte. Nach dem Unterricht fanden sich dann immer einige Teilnehmer zusammen, denen er ein Ziel setzte: „Ihr müßt wieder richtige Jäger werden – und dazu gehört das Blasen!“ So bildeten die Brüder Rudi und Elmar Graichen mit Manfred Krause den „Gründungskern“, um durch das jagdliche Blasen das Brauchtum zu pflegen und Freude daran zu haben.
Zunächst mußte mal ein einziges Horn für alle genügen, was aber dem Eifer keinen Abbruch tat. Dann wurde eine uralte Schallplatte „organisiert“, die „Deutschen Jagdsignale“ von OFM Frevert aus dem Jahre 1938, um den richtigen Ton, Ausdruck und das Tempo ins Gehör zu bringen. Als große Hilfe erwies sich dabei, daß der Hegeringsleiter und stellvertretende Kreisjägermeister Fritz Hempel sen. den Kapellmeister Willie Bertkau dazu holte, damit er als „gelernter Trompeter“ musikalische Entwicklungshilfe leisten konnte.
Schon bei der ersten Kreistrophäenschau 1956 im „Deutschen Haus“ zeigte eine durch Fritz Star, Kurt Wallek und Wellmann jun. verstärkte Gruppe, daß hier ein neuer musikalischer Klangkörper entstanden war. Um den guten Eindruck des ersten gemeinsamen Auftretens zu heben, hatte man sich sogar Uniformen vom befreundeten Schützenverein in Waggum ausgeliehen. Ja, das Organisationstalent war damals schon gut entwickelt.
Anläßlich eines Schaublasens in Isenbüttel entschlossen sich spontan einige weitere Freunde des Jagdhornblasens mitzumachen, die dann wiederum dieser Gruppe wichtige Impulse bis in die Gegenwart geben konnten: Leo Buchholz, Ernst Stäbner und Fritz Bührmann. Als dann 1961 der Geschäftsführer des LJV Hannover, Herr Ritter, dazu aufrief, den „ersten Wettbewerb für Jagdhornbläser“ in Hannover durch zuführen, konnte sich die Gifhorner Bläsergruppe zum Wettkampf stellen. Und wieder kamen hilfreiche Gönner dieser kleinen Gruppe zu Hilfe. Waren bisher die Bläser -wie auch revierlose Jagdscheininhaber – zu den Hubertusjagden eingeladen worden, so galt es nun, durch eine preisgünstige „Mischkalkulation“ eines Gifhorner Textilhauses im Zusammenwirken mit der Kreisgruppe und des Hegeringes alle Wettkampfteilnehmer einheitlich einzukleiden: Waldbluse, Hut mit Saubart, Ärmelstreifen („handgestickt“) und – graue Handschuhe! Bei diesem damals schon rein äußerlich recht eindrucksvollen Auftreten konnte diese Gifhorner Bläserkorps schon die besten Hoffnungen wecken. Als der Präsident des LJV Niedersachsen, FM Schröder, diese Gruppe mit den Worten begrüßte: „Jungs, stellt euch mal dahin, blast mal schön, und dann sehen wir auch, was ihr könnt!“, war alles Lampenfieber wie weggewischt.
Nun, das „Jagdhornbläserkorps Hameln-Pyrmont“ erblies sich damals die höchste Punktzahl, was bis heute keinen Kenner der Gruppenstärken überraschen würde. – Aber daß auf Anhieb Vertreter Gifhorns – „des Landkreises mit dem goldenen Horn im Wappen“ – bei starker Konkurrenz den 7. Platz erobern konnten, war schon einen beachtliche Leistung. Gifhorn war kein „weißer Flecken mehr auf dem Bläserglobus“. Eine große Zeitung kommentierte später den Gesamteindruck dieses Wettkampfes: „Erhebend und geradezu von einmaliger Eindruckskraft war das gemeinschaftliche Blasen von 600 Jagdhornbläsern, die ihre Eröffnungs- und Abschiedssignale wie aus einem Guß vortrugen“.
In den folgenden Jahren bewirkte die steigende Beliebtheit des Jagdhornblasens und seine jagdliche Nutzanwendung, daß eine steigende Zahl von Bläsergruppen bzw. -korps auch im Ausland, wie in Österreich, in der Schweiz, in Luxemburg und einigen skandinavischen Ländern entstanden.
Aber auch unser Landkreis Gifhorn erscheint auch heute keinesfalls als „graue Maus“. Die Bläsergruppen „Gifhorn I“ in Gifhorn und „Gifhorn II“ in Hankensbüttel mit ihren angeschlossenen Bläsern in den Hegeringen haben die Tradition fortgesetzt und sich im Laufe der Jahre aus wenigen Idealisten und passionierten Aktiven weiter zu Bläsern entwickelt, die sich unter fachkundiger Leitung ihres Kreisbläserobmannes Leo Buchholz zu gut ausgebildeten Jagdhornbläserkorps entwickelt haben. So sei nur beispielhaft für die erfolgreichen Gifhorner Korps auf die Bläsergruppe des Hegeringes Meinersen hingewiesen, die im vorigen Jahr in ihrer Gruppe den Landesmeister de Landes Niedersachsen stellen konnte, oder auf die Bläsergruppe Gifhorn I, die kürzlich im Rahmen der Nürnberger internationalen Ausstellung einen hervorragenden Platz belegte. Wer sollte da nicht mit Recht anerkennen dürfen, daß die Bläser von Stadt und Landkreis Gifhorn bei vielen Wettbewerben auch zukünftig stolze Erfolge erzielen und ihren hohen Leistungsstand unter Beweis stellen werden.
Ist nun das Jagdhornblasen schwer zu erlernen?
Könner werden das nun sofort verneinen, dagegen Laien ohne Selbstvertrauen und Mut eher skeptisch beurteilen. Also selbst probieren, ob genügend „Luft“ in der Lunge vorhanden ist. Ein kleiner Test: Man legt auf einen Tisch eine abgehackte Hornfessel mit etwa 110 cm Riemenlänge. An einem Ende sitzt der hoffnungsvolle Nachwuchsbläser, an dem anderen Ende wird eine Weihnachtskerze entzündet. Nun gilt es, mit gespitztem Munde so zu tun, als solle eine heiße Tasse Kaffee mit einem Mal Pusten auf Minustemperatur gebracht werden; sollte es nicht sofort gelingen, so wird die Kerze langsam immer näher gerückt. Bei abnehmender Entfernung zwischen beiden Polen verlagert sich auch die Hoffnung, ein Naturtalent zu sein, hin zu der Einsicht, das ein angefeuchteter Finger gleiche Wirkung auf das Verlöschen der Kerze haben und sich das Erlernen z.B. vom Blockflötespielen als Alternative erweisen könnte. Der Ansatz des Mundstücks an die Lippen wird am besten zunächst in „stiller Heimarbeit“ nur mit dem Mundstück in jeder freien Minute geübt. Denn bekanntlich ist ein guter Ansatz das halbe Blasen; aber ohne die Gesichtsmuskulatur zu verziehen, d.h. dabei keinesfalls mit „vollen Backen“ pressen! Für den Bläser ist die Frage nach dem passenden Mundstück bedeutsam. Grundsätzlich gilt aber, das für schmale Lippen ein kleineres Mundstück, für volle Lippen ein breiter Rand vorteilhaft ist. Auch sollte beim Anblasen in der kalten Jahreszeit ein Mundstück mit Hartgummi- oder Kunststoffrand benutzt werden, um einen Schaden durch „Ausfransen“ der Lippen zu vermeiden. Gerade bei dem jagdlichen Blasen zeigt sich daß der einzelne Bläser selbst vor allem „Taktvoll“ sein muß. Blasen im Takt ist also sehr wichtig, noch wichtiger als einmal im „Ton“ daneben blasen, denn die fünf Naturtöne bilden zusammen einen einheitlichen Wohlklang (Akkord). Beim Blasen in der Gruppe würde es dem Zuhörer bestimmt schnell auffallen, wenn jemand gegen den Takt bläst, dagegen ist die Gefahr viel geringer, wenn ein „falscher Ton“ in der Naturreihe getroffen wird.
Die Jagdsignale und ihre Bedeutung
Der gute Ansatz, der rechte Ton, der richtige Takt ermöglichen erst zusammen ein gutes Blasen – einzeln oder in der Gruppe. Es gibt etwa 45 heute gebräuchliche Jagdsignale, die sich nach ihrem Gebrauch unterscheiden:
Die allgemeinen Signale: sie dienen den eigentlichen Jagdablauf umrahmenden Zwecken, z.B. der „Begrüßung“ des Jagdherren; zum „Essen“ , als Einladung zum „wichtigsten aller Treiben; dem „Schüsseltreiben“; „Jagd vorbei“ und „Halali“ als „Ende eines Jagdtages“ oder als Abschiedssignal am Grabe eines Waidmannes.
Die Jagdleitsignale: sie werden aufgrund der sich ständig verändernden jagdlichen Situationen verwendet und sollen den reibungslosen Ablauf des Treibens oder des Drückens unterstützen wie „Aufbruch zur Jagd“, „Aufmunterung zum Treiben“, „Aufhören zu schießen“, „Hunderuf“ u.ä. – Die sog. Totsignale: für Hoch- und Niederwild. Sie werden beim Verblasen der Strecke benutzt entsprechend der gestreckten Wildart wie „Hirsch tot“, „Sau tot“, „Reh tot“ u.ä., verbunden mit dem Wunsche der Jäger, die erbeutete Kreatur waidgerecht zu ehren.
Wenn im Herbst und Winter eines jeden Jahres die schon lang ersehnten Einladungen zu Gesellschaftsjagden den Jägern in die gute Stube flattern, so heißt es gewöhnlich: „Bitte, gültigen Jahresjagdschein, brauchbare Hunde und Hörner keinesfalls vergessen!“ Noch ist es glücklicher Weise in einem gut geleiteten Revier verpönt, den Jagdablauf mit elektronischen Hilfsmitteln zu lenken. Das Jagdhornblasen erfüllt seine volle Funktion vor, während und nach der Jagd. Das ist keine „kultische Kleinkariertheit“, sondern eine Selbstverständlichkeit schon aus Gründen der Sicherheit im Jagdbetrieb und Bewahrung des Brauchtums.
Das Hornblasen will neue aktive und zuhörende Freunde gewinnen!
Viele Menschen, ob alte „Nimrode“ oder auch Nichtjäger, die miterlebten, wie im bunten Herbstwald, über Stoppelfeldern oder am tief verschneiten Dickungsrand ein Treiben angeblasen wird, das Signal dann von Horn zu Horn weitergegeben wurde und schließlich als Echo leise verhallte, werden dem Zauber dieser Eindrücke noch lange nachhängen. Dieses gilt auch für jene Bilder, die eine gut geleitete herbstliche Fuchsjagd mit Pferden, rotberockten Jagdreitern und -reiterinnen in weißen Hosen und schwarzen Kappen- eventl. sogar hinter einer lautstarken Hundmeute reitend – dem interessierten oder zufälligen Zuschauer auch hier im Gifhorner Raum an einigen Wochenenden vermittelt werden.
Werden bei dem Dreiklang „Pferde- Hunde- Hörner“ nicht sofort Gedanken an gemalte Jagdszenen – auch eines Johann Elias Ridinger – wach, die schließlich bis in die historischen Anfänge des natürlichen Beuteerwerbs des Menschen reichen? Heutzutage sind die Jagdhornbläser stolz darauf, kulturelles Erbe durch ihren eigenen Einsatz weitergeben zu können und so ihrer Heimat zu bewahren.
Verschiedene Jagdhörner: –
oben; das groß Horn in B, umschaltbar in S, – (Parforcehorn)
innen; Fürst-Pless-Jagdhorn,
rechts; Ventilhorn,
unten; Taschenhorn und Sauerländer Halbmond
Anmerkung I: Dieser Bericht -1.Teil- wurde im Gifhorner „Kreiskalender 1986“ unter dem Titel: „Es blies ein Jäger wohl in sein Horn …“ veröffentlicht. Der 2.Teil erschien unter dem Titel: „Das Jagdhorn bläst man, weil es jagdlich erforderlich ist und auch Freude macht!“ im Gifhorner „Kreiskalender 1987“. Diese Abschrift erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Anmerkung II. Der Mitautor und langjährige Kreisbläserobmann Leo Buchholz wechselte am 10.08.2006 in die „ewigen Jagdgründe“
Anmerkung III. Auch unser frühere Mitbläser und Autor dieses Artikels Wolf-Dieter Möhle wechselte nun am 21.Juli 2016 in die „ewigen Jagdgründe“.
Beide waren sehr der Jagd und besonders dem Jagdhornblasen verbunden. Wir haben viel von ihnen gelernt und werden sie in guter Erinnerung behalten, die Jagdhornbläser des Hegeringes Gifhorn.